Montag, 11. Februar 2013

"Why not?" - STATE 194, oder: wenn Salam Fayyad Präsident von Palästina wäre

Es gibt Dokumentarfilme und Dokumentarfilme. Die einen glauben, die Wirklichkeit abzubilden wie sie ist und vergessen dabei gerne, dass sie diese Wirklichkeit doch erst selbst herstellen. Die anderen möchten gerne in den Lauf der Dinge eingreifen und übersehen dabei die Koordinaten der Wirklichkeit. STATE 194 vom israelischen Filmemacher Dan Setton, der im Panorama auf der Berlinale zu sehen ist, gehört eher in die zweite Kategorie. Sein Anliegen ist es, die bleibende Notwendigkeit und auch die Möglichkeit eines palästinensischen Staates zu unterstreichen bzw. - angesichts der momentanen Situation vielleicht realistischer ausgedrückt - die Zwei-Staaten-Lösung vor dem politischen Tod zu retten. Der Protagonist seines Films ist einer der vielleicht interessantesten und gleichzeitig weltweit unbekanntesten Politiker der Region, der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad, der seit 2009 darum bemüht ist, zu demonstrieren, dass sich die Palästinenser in einem wirtschaftlich prosperierenden Staat an der Seite Israels selbst regieren können. Ausgangspunkt des Films ist der erste palästinensische Versuch, von der UNO als Quasi-Staat akzeptiert zu werden. In einem Rückblick zeigt Setton dann Bemühungen auf beiden Seiten und dasinteressantesten und gleichzeitig weltweit unbekanntesten Politiker der Region, der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad, der seit 2009 darum bemüht ist, zu demonstrieren, dass sich die Palästinenser in einem wirtschaftlich prosperierenden Staat an der Seite Israels selbst regieren können. Ausgangspunkt des Films ist der erste palästinensische Versuch, von der UNO als Quasi-Staat akzeptiert zu werden. In einem Rückblick zeigt Setton dann Bemühungen auf beiden Seiten und das unermüdliche Statebuilding von Fayyad. Dieser hatte dem Israeli unbeschränkten Zugang zu seiner Arbeit ermöglicht, was in dem Umfeld des Ministerpräsidenten nicht nur auf Gegenliebe stieß. Doch auf die Frage, warum er einen Israeli so nah an sich heranlasse, habe Fayyad nur trocken "Why not!" geantwortet, berichtet Setton.
"Why not" könnte auch das Motto von STATE 194 sein. Er habe einen Film mit einer hoffnungsvollen Botschaft machen wollen, erklärt Setton, und räumt gleich ein, dass es wesentlich einfacher sei, pessimistische Filme über den Nahostkonflikt zu drehen. Mit allerlei technischen Finessen ausgestattet, bewegt sich Settons Kamera im Zentrum der Macht, schwenkt zum Himmel und fährt prestigeträchtige Bauprojekte ab. Nicht zufällig wirkt dies wie eine fernsehgerechte Neuauflage der, ästhetisch durchaus beeindruckenden, frühen Filme über den zionistischen Aufbau in Palästina. Denn für Setton und STATE 194 ist Fayyad soetwas wie der palästinensische Wiedergänger Ben Gurions, der einen Staat und seine Institutionen schafft, noch bevor die Welt dessen Gründung anerkannt hat.
Das Problem ist nur, dass Fayyads Einfluss in der palästinensischen Autonomiebehörde auf ziemlich wackeligem Posten steht. Nur eine Minderheit der in der Westbank lebenden Palästinenser unterstützt seine Politik. Und wenn man sich die Strategie von Palästinenserpräsident Abbas anschaut, der das Vorgehen seines Ministerpräsidenten gerne zu durchkreuzen scheint (beispielsweise indem er die revisionistischen Thesen seiner Doktorarbeit aufwärmt, die "Zionisten" hätten mit den Nazis bei der Durchführung der Shoah zusammengearbeitet), ist fraglich, inwieweit der westlich sozialisierte Ökonom und Politstratege nur als Pappfigur für eine korrupte Autonomiebehörde fungiert, der wenig an Verhandlungen und einer ernsthaften Friedenslösung gelegen ist. Interessanterweise spart Setton Abbas, abgesehen von einigen Einstellungen seiner UNO-Rede, fast vollständig aus dem Film aus.
Allerdings erzählt er auch wenig über Fayyads unsichere Position. Nur in Bezug auf die Annäherung zwischen den beiden rivalisierenden Palästinensergruppen Fatah und Hamas wird angemerkt, dass Fayyad wohl das erste Opfer einer Wiedervereinigung wäre. Die Hamas hat schon deutlich gemacht, dass sie Fayyad auf keinem Posten akzeptieren würde.
Auch im Hinblick auf die Israelis verschiebt der Film die Realitäten. Offensichtlich intendiert für ein amerikanisches und europäisches Publikum bekommen israelische Friedensaktivisten (von einer Bewegung kann man kaum sprechen) weit mehr Raum, als ihrem gesellschaftlichen Einfluss entspricht. So spannend es ist, kaum bekannte Initiativen wie den Parents-Circle kennen zu lernen, in dem sich Israelis und Palästinenser zusammengefunden haben, die Angehörige im Konflikt verloren haben, so zäh wirken doch die Passagen, in denen die Komplexität des Konflikts doch wieder hinter Friedensparolen und Aktivismus verschwindet. Das ist aber auch dem Konzept des Films gechuldet, Bewegung und Entwicklung dort zu zeigen, wo in den letzten Jahren nur Stillstand vorzufinden war.
Kein Wunder, dass nahezu alle wesentlichen Faktoren, die zu diesem Stillstand führten, ausgespart werden. Weder die Machtübernahme der Muslimbrüder in Ägypten, noch die fortgesetzten Drohungen des Iran, weder die Blockade der Autonomiebehörde noch der Vernichtungswille der Hamas werden in größerem Rahmen diskutiert. Lediglich der Antisemitismus der Hamas wird kurz thematisiert, allerdings auch nur, um dann zum scheinbar eigentlichen Hauptproblem auf dem erwünschten Weg zum Frieden überzugehen, dem Siedlungsbau. Hinter dem sehr eindrucksvollen Porträt der Aktivitäten Fayyads reproduziert also auch STATE 194 die üblichen medial-verbreiteten Stereotypen über den Konflikt.
Aber auch einer komplexeren Sicht auf Fayyad und die Autonomiebehörde selbst versperrt sich der Film. Kein kritisches Wort ist über die fortdauernde Repression in der Westbank zu hören. So lobenswert die Terrorbekämpfung durch neu ausgebildete palästinensische Polizeieinheiten, die der Film in voller Breite darstellt, sein mag, so wenig kann man doch, wie Fayyad in den Schlusseinstellungen des Films, von einem Rechstaat, Demokratie und funktionierender Zivilgesellschaft sprechen. Angesichts von Verhaftungen ohne Gerichtsverfahren und der Verhängung von Todesstrafen, wirken Fayyads Worte wie ein billiger Propagandaeffekt. Für die palästinensische Zivilgesellschaft wiederum lässt der Film junge Blogger einstehen, die ein Bild von westlich-orientiertem Aktivismus jenseits der Strukturen staatlicher Verwaltung entstehen lassen. Dass aber die junge Bloggerin aus der Westbank offensichtlich in engem Kontakt mit der Autononmiebehörde agieren, zeigen einige der Schlusseinstellungen des Films. Man fragt sich, wie es Bloggern in der Westbank ergeht, die nicht der Linie von Abbas und der Fatah entsprechen.
So konstruiert sich der Film ein hoffnungsfroheres Bild von der Situation durch die Auswahl und Anordnung seines Materials und dessen stilbewusster Präsentation. Daran hat der Regisseur auch keinen Zweifel gelassen. Er wollte einen positiven Film drehen - der parallel im israelischen und palästinensischen Fernsehen gezeigt werden soll. Why not?

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